Projektorientiertes Arbeiten in der Schule – Neue Wege des Lehrens und Lernens

Projektunterricht oder auch Projektarbeit bezeichnet die Art von Lehr- und Lernform, die einen Projektgedanken als maßgeblichen Inhalt des Prozesses sieht. Durch den Projektunterricht werden durch angestrebte Erneuerungsideen wie Lebensnähe, Problembewusstsein, Verselbständigung und Kooperationsbereitschaft eine Alternative zur mehr oder weniger theoretisierten Verengung schulischer Bildung geschaffen. Zudem ist es eine Reaktion auf den Frontalunterricht. In der Schul- und Hochschuldidaktik sowie in der Berufs- und Erwachsenenbildung hat das projektorientierte Arbeiten seit den 1970er Jahren einen regelrechten Reformschub erfahren.

Der Projektbegriff hat in seiner langen Geschichte sehr unterschiedliche Deutungen erfahren. Bei ihrer Neukonstituierung der Projektidee im didaktischen Lehr- und Lernbereich in den 1970er Jahren orientierten sich Warwitz und Rudolf an der ursprünglichen Wortbedeutung: „Das Wort ‚Projekt‘ leitet sich von lateinisch proiectum ab, Partizip Perfekt von proicere (= nach vorn werfenvorhabenplanenentwerfen). Der Begriff setzt damit ins Bild, dass ein Ziel ‚vorausgeworfen‘ wird, das man einzuholen bemüht sein will“. [Warwitz & Rudolf 1977, S. 18.] Außerdem kann Projekt auch mit dem Terminus „Problem“ beschrieben werden. Im Falle von Projektarbeit bedeutet das, dass man ein Arbeitsthema (Projektthema) als Ausgangsproblem hat, welches es in einer Gesetzen Zeit zu lösen gilt.

Der von William Heard Kilpatrick eingeführte Begriff project method und die deutsche Bezeichnung Projektmethode beschränken sich begrifflich auf einen didaktischen Teilbereich, das Wie des Vorgehens und die entsprechenden Organisationsformen. Karl Frey nimmt darauf ausdrücklich Bezug, indem er seinem Buch den Untertitel Der Weg zum bildenden Tun gibt. [Frey 1982]

Betrachtet man die Projektarbeit von einem geschichtlichen Standpunkt aus, kann man die Ursprünge bereits im 16. Jahrhundert in Italien, beziehungsweise im 18. Jahrhundert in Frankreich wieder finden. Von Frankreichs Akademien für den Bau verbreitet sich die Idee eines projektorientierten Lernens schnell nach Deutschland, Österreich und die Schweiz und Mitte des 19. Jahrhunderts auch in die Vereinigten Staaten. Vorreiter in der Projektarbeit war Calvin M. Woodward. Durch die Neubestimmung der Projektidee durch John Dewey und William Heard Kilpatrick setzte sich die Unterrichtsmethode des Projektorientierten Arbeitens, die „project method“, immer stärker im pädagogischen Raum durch. [vgl. Petersen]

Der Boom des Projektunterrichts im Bildungswesen ist auf die 1970er Jahre zurückzuführen. Die Forderung nach mehr Lebensnähe und aktivem Einbezug der Lernenden, gepaart mit der immer engeren Vernetzung der Schul- und Hochschulausbildung haben den Weg weiter geebnet. Zahlreiche Hochschulen, wie die Pädagogische Hochschule Karlsruhe, haben verstärkt an der modernen Projektidee in der Ausbildung künftiger Lehrkräfte mitgewirkt.

Der Projektunterricht ist von einer Vielzahl von Merkmalen geprägt, der ihn ganz klar vom „normalen“ Unterricht abgrenzt. Diese Merkmale können in einem alltäglichen abgehaltenen Unterricht auch nicht erfüllt werden, da der zeitliche und inhaltliche Rahmen dem nicht gerecht werden können.

Das Modell des Projektunterrichts ist aus einer Vielzahl an Gründen, nicht zuletzt wegen seiner historischen Hintergründe, nicht einfach zu in eine allgemeingültige und einheitliche  Definition zu bringen. Anhand der Merkmale allerdings lassen sich die wesentlichen Merkmale etwas präziser beschreiben. Sie finden sich unter anderem in Merkmalen [vgl. Frey 1980, Gudjons 1994, Keuffer & Hahn 2010, Tippelt 1979, Struck 1980, Warwirtz & Rudolf 1977] wie

  • Handlungsorientierung, da bei der projektorientierten Arbeit eine Vielzahl von Sinnen angesprochen wird.
  • Selbstorganisiertes Lernen: Das lernen liegt komplett in der Hand des Schülers.
  • Förderung kooperativen Lernens: Teamwork
  • Verbindungen zum wirklichen Leben
  • Interesse
  • Zielgerichtete Planung
  • Interdiziplinarität
  • Gesellschaftsrelevanz
  • Ganzheitlichkeit: Das Projekt an sich wird als Ganzes betrachtet. Hier zählt nicht nur da Endprodukt, sondern auch der Entwicklungsprozess der Teilnehmer
  • Produktorientierung
  • Demokratische Unterrichtsgestaltung
  • Einbezug außerschulischer Lernorte

Warwitz und Rudolf charakterisieren Projektunterricht in Abgrenzung von anderen Unterrichtsformen und methodischen Einzelelementen wie Freiarbeit,Offener Unterricht, Fächerverbindender Unterricht, Handlungsorientierter Unterricht, Gruppenunterricht, Schülerzentrierter Unterricht, Problemorientierter Unterricht, Entdeckendes Lernen, Selbstbestimmtes Lernen, Learning by Doing durch sieben Minimalanforderungen [Warwitz & Rudolf, In: Dies 1977, S. 18–22.]:

  • Komplexität der Aufgabe
  • Bedürfnisspannung der Beteiligten
  • Bezug zur Lebensumwelt und gesellschaftliche Relevanz
  • Mehrdimensionale Lernbeanspruchung
  • Interdisziplinarität der Sachansätze
  • Gemeinsame Planung, Durchführung und Auswertung
  • Ziel- und Prozessorientierung

Projektunterricht in Schulen erfüllt allerdings nur einige der Projektansprüche, zumal der Begriff „Projektunterricht“ kontrovers zu betrachten ist. Unterricht bedeutet, dass das Lernen systematisch organisiert abläuft. Als Grobrichtlinie lässt sich hier festlegen, dass Unterricht die Phasen Einstieg ➙ Hinführung ➙ Erarbeitung ➙ Sicherung ➙ Vertiefung beinhaltet. Diese Phasen sind bei der Projektarbeit nicht gegeben. [vgl. Klein 2008]

Eine Auseinandersetzung mit den oben aufgeführten Konstituenten der Projektarbeit verdeutlicht, dass auf Lehrer wie Schüler völlig neue Aufgaben zukommen, die sich wesentlich vom traditionellen Unterricht unterscheiden und sich auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirken. Projektunterricht ist weder ein lehrerzentrierter noch ein schülerzentrierter, sondern ein sozialintegrativer Unterricht, bei dem gleichberechtigte, wenn auch unterschiedlich kompetente Partner miteinander an einem gemeinsamen Vorhaben arbeiten. [Warwitz & Rudolf 1977, S.20 ff.]

Projektunterricht bedeutet für der Lehrer einen immensen organisatorischen Aufwand. Er kann, anders als im Regelunterricht, für seine Schüler als eine Art Lernpartner fungieren und seine gewachsenen pädagogischen und fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten gezielt in den Lernprozess der Schüler integrieren.

Die Themenfindung zählt zu den Schwerpunkten der Projektarbeit. In der Schule sind meist Projekte der ersten Reduktionsstufe angesiedelt, da hier ein knapper zeitlicher Rahmen vorgegeben ist. Folgende Leitfragen sind bei der Themenfindung zu beachten: [Katz & Chard 2000, S. 220 ff.]

  • Ist das Thema in der Umgebung direkt zu beobachten?
  • Haben die Kinder Erfahrungen damit gemacht?
  • Können die Sachverhalte des Themas von den Kindern selbst untersucht werden?
  • Lassen die Möglichkeiten am Ort das Projekt zu?
  • Können verschiedene Medien verwendet werden (Rollenspiel, Konstruktion, Fotos, Anschauungsmaterial usw.).
  • Können die Eltern mitarbeiten?
  • Ist das Thema für die „örtliche Kultur“ und gleichzeitig „allgemein kulturell“ angemessen?
  • Es sollte viele Kinder interessieren oder vom Erwachsenen für die Entwicklung des Kindes als sehr wichtig eingeschätzt werden.
  • Entspricht das Thema den lokalen Zielen der Einrichtung oder anderen Curricula?
  • Sind genügend Möglichkeiten einzubauen, grundlegende Kompetenzen zu erwerben?
  • Das Thema darf nicht zu stark eingeschränkt und nicht zu „vage“ sein.

Anhand dieser Leitfragen kann ein Projekt entwickelt und durchgeführt werden. Wichtig ist dennoch die in jeder Fachliteratur angesprochene Reflexion des Projekts anhand der Projektphasen. Diese lassen Rückschlüsse auf den Lernerfolg der Teilnehmer zu und können aufschlussreiche Hilfestellungen für weitere Projekte bieten.

Schulische Projekte sind von dem Merkmal geprägt, dass Schüler die Projektidee selbst entwickeln und möglichst eigenständig und selbstverantwortlich in Teams arbeiten. Wichtig: zielgerichtete Planung, Prozess- und Produktorientierung. [Klein 2008]

Quellen:

  1. Frey, Karl (1980): Die Projektmethode. Weinheim
  2. Frey, Karl (1982): Die Projektmethode. Der Weg zum bildenden Tun. Weinheim 1982
  3. Gudjons, Herbert (1994): Was ist Projektunterricht? In: J. Bastian (Hrsg.): Das Projektbuch. Hamburg
  4. Katz, Lillian G. & Chard, Sylvia C. (2000): Engaging Children’s Minds: The Project Approach. 2nd Edition. Stamford: Ablex Publishing Group
  5. Keuffer, Josef & Hahn, Stephan (Hrsg.)(2010): Projektunterricht und Projektkultur in der Schule. Reihe: TriOS – Forum für schulnahe Forschung, Schulentwicklung und Evaluation. Bd. 6
  6. Klein, Kerstin (2008): Lernen mit Projekten. In der Gruppe planen, durchführen und präsentieren. Verlag an der Ruhr
  7. Knoll, Michael (2011): Dewey, Kilpatrick und „progressive“ Erziehung. Kritische Studien zur Projektpädagogik. Klinkhardt, Bad Heilbrunn
  8. Peter Petersen (Hrsg.)(1935): John Dewey/William Heard Kilpatrick – Der Projektplan. Grundlegung und Praxis. Weimar
  9. Struck, Peter (1980): Projektunterricht. Stuttgart
  10. Tippelt, Rudolf (1979): Projektstudium. München 1979.
  11. Warwitz, Siegbert & Rudolf, Anita (1977): Projektunterricht. Didaktische Grundlagen und Modelle. Schorndorf
  12. Warwitz, Siegbert & Rudolf, Anita (1977): Merkmale eines Projekts. In: Dies. :Projektunterricht. Didaktische Grundlagen und Modelle. Schorndorf