Praxisschock – Von der Hochschule in die Schule

Seit Februar 2013 habe ich den Vorbereitungsdienst an einer Realschule begonnen. Nach Jahren des theoretischen Studiums kommt nun die andere Seite der Medaille: Die Praxis.

Ich habe schnell gemerkt, dass nur wenig von dem, was ich an der Hochschule gelernt habe, auch tatsächlich seine Anwendung in der Schule finden kann. Vor allem was das Fach Englisch angeht kann ich sagen, dass mir außer den Einführungsveranstaltungen, dem Praktikum und zwei vertiefenden Seminaren aus den höheren Semestern nichts für meine tägliche Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen bringen. Das liegt nicht daran, dass ich als Realschul-Student mit Studierenden anderen Schulformen gleichermaßen unterrichtet wurde, sondern vielmehr daran, dass die Dozierenden diverser Seminare eine Art Scheinwelt aufgebaut haben, was den Inhalt ihrer Seminare angeht. Wissenschaft jagt Wissenschaft. So könnte man es treffend beschreiben.

Das Problem ist, dass viele Dozierende an der Hochschule den eigentlichen Sinn unserer Ausbildung etwas aus dem Blick verloren haben. Ein Lehrer braucht aus Kenntnisse aus der Wissenschaft, das steht selbstredend außer Frage. Dennoch muss auch ein gewisses Maß an Didaktik und Methodik vermittelt werden. Diesem Auftrag ist die Hochschulbildung nur in Teilen nachgekommen. Auch die utopischen Vorstellungen aus den Praktika sind meines Erachtens nach völlig aus der Luft gegriffen. Im Praktikum wird vorausgesetzt, dass Methodik kompetent beherrscht wird, didaktische Prinzipien im vollem Maße bekannt sind und die Stunden lediglich der Umsetzung dienen. Ein Falscher Ansatz. Während die Studierenden in den Praktika gezwungen sind „Punktlandungen“ abzulegen, was bedeutet, dass jede gehaltene Stunde exakt 45 Minuten dauert und mit dem Läuten der Pausenglocke beendet sein muss, vermittelt einem die Praxis ein anderes Bild. Die frage die sich mir daher stellt: Wissen die Dozierenden eigentlich noch was genau in Praxis läuft?

Betrachtet man deren Vorgaben für die Praktika, und ich beziehe mich dabei auf meine Schulpraktischen Erfahrungen und Studien während der Ausbildung, muss ich eindeutig sagen: Nein, sie wissen es nicht oder nur zum Teil. Viele Dozenten sind einfach schon zu lange aus dem aktiven Schuldienst und zu lange schon an der Bildungseinrichtung Hochschule tätig. Woher sollen sie denn wissen, wie es an einer Schule zugeht? Natürlich wissen auch Dozenten von den Veränderungen im Schulalltag. Dennoch ist meiner Meinung das große Manko eben jenes, der Praxisabstinenz. Es ist nicht möglich die Inhalte eines Bildungsplans zu vermitteln, wenn man selbst aber nur die Theorie kennt, beziehungsweise selbst nicht weiss, welche konkreten Probleme bei der Umsetzung neuer Anforderungen wie Differenzierung und Inklusion im Schulalltag auftreten werden.

Die Frage nach einem neuen Praxismodell der schulpraktischen Studien muss angedacht werden, wenn nicht eine ganze Generation Junglehrer in die Welt „Schule“ entlassen werden soll, die eine völlig falsche Vorstellung davon haben, wie es im wirklichen Schulalltag abläuft.

Um jegliche Verwirrung zu vermeiden, der Praxisschock ist bei mir ausgeblieben. Ich hatte eine etwaige Vorstellung, was mich in der Schule erwarten könnte und kann von mir selbst behaupten, dass ich mit den mir gestellten Aufgaben kein Problem habe. Ich mahne trotzdem an, die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer zu überdenken und dem Praxisbezug eine zentralere Rolle zukommen zu lassen. Mir ging es zu Beginn selbst so, dass fachlich ein fundiertes Wissen vorherrschte, jedoch der Bezug zum Schulalltag und das didaktische Reduzieren und Herunterbrechen von Inhalten mit einem gehörigen Maß an Arbeit und Übung verbunden war. Dies ist meines Erachtens nach ein großer Knackpunkt innerhalb der Ausbildung und sollte schleunigst überdacht werden.